Alpenpanoramaweg
Fernwanderungen sind eine wunderbare Art, völlig vom Alltag abzuschalten. Beschaulich geht es Tag für Tag, ganz im Hier und Jetzt. Und obwohl es kleine Schritte sind, die man da tut, kommt man zügig voran, durchstreift unterschiedlichste Landschafen, wandert durch Täler, über Pässe und auf Berge und wechselt sogar die Sprachregionen.
Eine der schönsten Fernwanderungen ist der Alpenpanoramaweg vom Bodensee zum Genfersee, von Nordost nach Südwest, einmal quer durch die Schweiz. Der Alpenpanoramaweg wird auch in sechs Etappen von vier bis acht Tagen angeboten. Doch was für eine Lust, die ganze Strecke am Stück zu wandern! Vor allem, wenn das Gepäck von unsichtbaren Heinzelmännchen transportiert wird und im Hotel auf einen wartet, wenn man müde und zufrieden eintrifft.
Bodensee – Appenzell – Toggenburg: 6 Tage
Die Reise beginnt in Rorschach am Bodensee und führt wie zum Aufwärmen durch das kupierte Appenzellerland. Schnell gewinnt man an Höhe, und bereits der Aufstieg zum Luftkurort Heiden mit seinem Henri-Dunant-Museum und hinauf zum Kaienspitz beschert fantastische Ausblicke auf den Bodensee, St. Gallen und bis zum Alpstein.
Von der Innerrhoder Hauptstadt Appenzell, wo man kaum den Blick von den reich verzierten Bürgerhäusern wenden mag, wandert man auf dem «Barfussweg» nach Jakobsbad via Urnäsch zur Schwägalp am Fuss des Säntis hinauf. Beschaulich führt die Reise von dort aus über Alpweiden und naturnahe Flachmoore nach Alt St. Johann im Toggenburg.
Doch bald geht es zur Sache. Wie die erste Etappe verlangt auch die Wanderung von Stein/Alt St. Johann zum Walensee eine gute Kondition. Doch was für ein Blick auf die Glarner Berggipfel und die Churfirsten aus nächster Nähe, und welch eine Freude, in luftiger Höhe um den Glumen herum zu wandern, weiter zum Mattstock und dann über blühende Alpwiesen hinunter in Amden, das hoch über dem Walensee liegt. Der Abstieg an den Walensee geht zwar in die Beine, wird aber mit einem herrlichen Bad im kühlen Nass belohnt.
Ziegelbrücke - Luzern: 4 Tage
Mit den Churfirsten im Rücken und Blick auf die Alpengipfel – der Name Alpenpanoramaweg kommt nicht von Ungefähr - streifen die Wanderer vorbei am Zürcher Oberland und – nach einem knackigen Aufstieg – am Sihlsee vorüber zum Wallfahrtsort Einsiedeln. Ein Besuch des prächtigen Klosters lohnt sich, und wem nach Einkehr in der Abtei- und Kathedralkirche ist, der wohnt am späten Nachmittag dem Vespergebet der Mönche und ihrem Salve Regina-Gesang bei. Für das körperliche Wohl sorgen Schafböcke, eine Einsiedler Spezialität aus feinstem Honigteig.
Auf einem alten Pilgerweg geht es über den Chatzenstrick zum bekannten Hochmoor von Rothenturm und weiter zum Aegerisee, der lieblich mitten in grünen Wiesen liegt und die umliegenden Bergketten spiegelt. Vorbei an Kirschbäumen des Zugerlandes und an der St. Verena Kapelle, die von grünen Wiesen umgeben etwas zurückversetzt auf einem kleinen Plateau am Waldrand hoch über Zug liegt, und weiter mit Blick auf Zugersee, Rigi, Pilatus und das Michaelskreuz hinunter nach Zug.
Das Michaelskreuz auf dem Rooterberg ist das nächste Wanderziel auf der Route nach Luzern: Ein Kraftort mit wunderschöner Kapelle, einem Kreuz, einer ca. 500 Jahre alten Linde und einem herrlichen Blick auf Zugersee, Zugerberg und Rigi auf der einen und die Reusslandschaft auf der anderen Seite. Von hier aus nach Luzern ist es ein Katzensprung.
Emmental: 8 Tage
Nun wird es immer hügeliger. Die Etappen im Napfgebiet sind nahrhaft. Es geht steil und hoch hinauf, aber die Sicht ist einzigartig. Das Alpenpanorama, das der Fernwanderung ihren Namen gab, rückt zum Greifen nah. Von Luzern geht es nach Werthenstein, einem weiteren Wallfahrtsort auf dieser Wanderreise. Hoch oben auf dem Fels thront das leuchtend weisse Kloster mit der schönen Kirche. Das Gnadenbrünneli unweit des Klosters erfreut sich grosser Beliebtheit. Seinem Wasser wird Heilkraft für Wunden und die Augen nachgesagt. Heilkraft hin oder her, die Wasserqualität, so heisst es, sei einwandfrei. Bestimmt stärkt es auch für die anspruchsvollen Touren.
Der Höhepunkt der Napfwanderungen ist sicher der Gipfel mit seinem unvergleichlichen Panorama zu den Alpen und zum Jura, und natürlich auf die unzähligen Hügel des Napfs, auf denen vereinzelt Bäume und prächtige einzelne Bauernhöfe stehen. Durchs Tal der Grossen Emme bis zum Aaretal verläuft die Wanderroute. Auch sie ist mit einem Kloster angereichert, allerdings nur noch einer Ruine: Kloster Rüeggisberg mit herrlicher Aussicht auf die Berner Alpen.
Ade ihr weissen Alpengipfel, jetzt geht es hinab in den Schwarzwassergraben, hinunter zur ältesten Betonbogenbrücke der Welt. Und wenn schon Geschichte, dann auch eine Geschichte: In Guggisberg entsinnt man sich dem berühmten Vreneli, das im ältesten Schweizer Volkslied besungen wird, und wandert, das «Vreneli ab em Guggisberg» auf den Lippen, frohgemut durch den urtümlichen Sensegraben in den Kanton Fribourg hinüber. Dort geht es der Warmen Sense entlang, deren Wassertemperatur man gerne bei einem Bad testen kann, durch einsame Landschaft dem Schwarzsee entgegen.
Schwarzsee - Montreux: 5 Tage
Die Wandertouren durch das Voralpenland zwischen Schwarzsee und Genfersee fordern gute Kondition. Aber inzwischen ist man gut eingewandert und nimmt, was noch kommt, mit Leichtigkeit. Die Tour beginnt am mystischen Schwarzsee. Die dunkle Farbe, so eine Legende, soll daher rühren, dass einst ein Riese seine wohl nicht ganz sauberen Füsse im See wusch. Der Idylle tut das keinen Abbruch.
Durch die wilde Jaunschlucht wandert man hernach über den flachen, von Gletschern ausgehobelten Euschelpass nach Jaun, quert die Sprachgrenze und steigt schliesslich durch die spektakuläre Jaunbachschlucht nach Broc hinab. Die Schweiz wäre kaum die Schweiz, käme man unterwegs nicht an einer Schokoladenfabrik vorbei: Voilà, schon erfreut ein Abstecher zu Cailler, der bekannten Schweizer Schokoladenmarke, die Sinne, bevor man den Weg hinunter nach Gruyère einschlägt.
Hat man einmal den mächtigen Moléson passiert, taucht man ins waldreiche Voralpenland von Les Paccots ein, geniesst im Mai die weissen Narzissenteppiche und rund ums Jahr die fantastische Aussicht auf den Genfersee und die Alpen. Wer sich den Abstieg hinunter nach Montreux ersparen möchte, steigt in die Zahnradbahn und erfreut sich ganz ohne Anstrengung am prächtigen Panorama.
Vevey – Genf: 6 Tage
Eine Genusswanderung durch die weiten Rebberge des Lavaux, das zum UNESCO Welterbe gehört, macht den Auftakt der Wandetappen entlang dem Genfersee, die das Schlussbouquet dieser Fernwanderung quer durch die Schweiz bildet. Im Herbst leuchten die gelben Blätter der Reben wie ein goldenes Meer mit dem Genfersee um die Wette.
Wenig später führt ein Spaziergang direkt am See von Lausanne ins hübsche Städtchen Morges mit seinem trutzigen Schloss. Wer noch nicht genug von historischen Städtchen und Schlössern hat, freut sich schon auf das mittelalterliche Aubonne, das etwas erhöht liegt, und das hübsch renovierte, auf einer Halbinsel gelegene St-Prex, das 1973 den Wakker-Preis, den Preis für Heimatschutz, erhielt. Seine schönen Brunnen, die kunstvollen schmiedeeisernen Schilder und natürlich die berühmte Turmuhr darf man sich nicht entgehen lassen.
Vom mittelalterlichen Nyon führt die Route ein letztes Mal vom Wasser weg, ins stille, flache Hinterland zwischen Genfersee und Jura. Die Landschaft ist geprägt von lichten Eichenwäldern, murmelnden Bächen und verschlafenen Dörfern. Entlang dem Waldflüsslein Versoix geniessen die Wanderer ein letztes Mal die Natur, bevor sie am Quai du Mont-Blanc in Genf endgültig zurück in die Zivilisation gelangen. Der unvergessliche «Zieleinlauf» auf dem Prachtquai mit Blick auf den See mit dem Jet d’Eau und die weissen Gipfel der Alpen ist als Abschluss dieser zauberhaften Fernwanderung absolut würdig.