Sprache: Deutsch, Englisch, Französisch
Abwesend: Mittwoch
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Reisebericht von Günther Lämmerer
Tag 1: Anreise
Früh am Morgen machten wir uns zum Flughafen Zürich auf. Milngavie, der Startort des West Highland Ways liegt etwas nördlich von Glasgow und ist mit dem öffentlichen Verkehr sehr gut erreichbar. Normalerweise ist die Anreise über Glasgow zu empfehlen, wir sind allerdings über Edinburgh angereist. Nachdem wir dort unser Gepäck am Bahnhof verstaut haben, nutzten wir die Zeit für einen Bummel durch die Stadt. Mit dem weitum sichtbaren Schloss, der typisch britischen Altstadt und den vielen Skulpturen bietet Edinburgh eine tolle Atmosphäre. Die Royal Mile rauf zum Schloss ist sehr touristisch und auch in der Nebensaison etwas überlaufen, aber es gibt viel zu sehen in dieser Stadt.
Als wir nach diesem kleinen Ausflug die Zugtickets nach Milngavie kaufen wollten, gibt es die ersten Missverständnisse mit der schottischen Sprache. Der Ort wird in Scotts ganz anders ausgesprochen als er geschrieben wird. Die Billetverkäuferin lachte allerdings nur und meinte, dass wir wohl nach «Mull Gae» wollen und schickte uns auf die weitere Reise.
In Milngavie angekommen bezogen wir unser Zimmer, suchten ein Restaurant für das Abendessen und freuten uns auf den morgigen Start der Tour.
Im Frühstücksraum hatten wir schon den Verdacht, dass noch weitere Wanderer an diesem Tag den Weg nach Fort William starten würden. Als wir dann um 09:00 Uhr unser Gepäck bei der Rezeption deponierten, warteten auch schon einige Koffer darauf abgeholt zu werden. Nachdem wir beim Obelisken im Zentrum von Milngavie noch ein Erinnerungsfoto geschossen hatten, begannen wir unsere Wanderung. Der Weg war durchgehend mit kleinen Pflöcken mit einer Distel markiert und war so leicht zu finden. Nachdem wir durch einen kleinen Wald gewandert waren und die ersten Wanderer gesichtet hatten, erblickten wir das erste «Loch» mit dem Namen «Craigollie».
Es ging beständig bergauf und wir überquerten einen kleinen Sattel, von dem wir einen sehr schönen Ausblick auf die vor uns liegenden Highlands hatten. Kurz darauf erreichten wir ca. bei der Hälfte der heutigen Tagesetappe die Glengoyne Distillerie. Eine kleine Whisky-Brennerei, die fast unmittelbar am West Highland Way und an der Grenze zwischen den Low- und den Highlands liegt. Da wir gut in der Zeit lagen, beschlossen wir dort unsere Mittagspause einzulegen und auf die nächste Führung zu warten. Nach einer interessanten Führung durch die Distillerie und ein paar Schlucken Whisky fühlten wir uns mehr oder weniger in Form, um die letzten Kilometer in Angriff zu nehmen.
Der zweite Abschnitt zog sich dann aber etwas in die Länge. Vor allem da die letzten Kilometer teils auf Asphalt führten und wir bemerkten, dass wir wohl doch noch nicht ganz eingelaufen waren. Kurz vor Drymen versäumten wir dann auch die Abzweigung ins Ortszentrum und mussten ein kleines Stück zurücklaufen. In Drymen selbst genehmigten wir uns dann eine Suppe im Stadtzentrum und machten uns zum Schluss auf den Weg zu unserem Bed & Breakfast. Das Bramblewood B&B war eines der besten auf der ganzen Strecke und wir wurden dort toll bewirtet.
Da das B&B etwas ausserhalb des Ortes liegt, hätten wir zu Beginn der Etappe etwas abkürzen können, doch wir entschlossen uns noch mal durch das Ortszentrum zu wandern, um Proviant zu kaufen, da die kommenden Etappen durch kleinere Orte führten. Wir folgten so dem Originalverlauf des West Highland Ways und näherten uns so über einen Bergrücken dem Conic Hill. Von hier bot sich uns ein toller Ausblick auf das Loch Lomont, dem grössten Süsswassersee Grossbritanniens. Diesem Loch würden wir die nächsten zwei Tage entlanglaufen.
Nach einem Abstieg durch einen sehr schönen Wald entschlossen wir uns kurz nach Balmaha eine Pause am Strand einzulegen. Auch heute zog sich der zweite Teil der Strecke in die Länge. Wir bemerkten langsam, dass wir die Pausen besser einteilen müssten, damit die Kraft für die langen Etappen besser reicht. Nach einem wunderschönen Stück auf der Halbinsel Ross Cove erreichten wir letzten Endes unsere Unterkunft. Nur die Strasse auf der anderen Seite des Lochs erinnerte hier noch daran, dass die Zivilisation doch relativ nah war – das Hotel liegt ziemlich verlassen am Ufer des Sees.
Wir waren bei den letzten Wanderern, die sich an diesem Tag bei leichtem Nieselregen aufmachten, um nach Inverarnan zu wandern. Der heutige Tag wurde in der Wegbeschreibung als einer der schwierigsten Abschnitte beschrieben. Auch wegen der Länge rechneten wir mit einem ziemlich harten Tag.
Der erste Teil des Weges führte etwas unspektakulär auf gut ausgebauten Forststrassen am Loch entlang. So überwanden wir die ersten 11 Kilometer bis zum Wasserfall bei Inversnaid relativ schnell. Unmittelbar neben dem Wasserfall machten wir wieder Rast und fragten uns, was denn nun auf uns zukommen würde?
Der kommende Abschnitt war relativ steinig und führte mit ständigem Auf und Ab weiter am Loch entlang. Wir sahen zahlreiche kleine Inseln im Loch und besuchten auch die Höhle in der sich Rob Roy einst vor seinen Verfolgern versteckte.
So verging die Zeit wie im Flug und wir erreichten das Ende vom Loch Lomond. Da waren wir allerdings noch nicht am Ziel angekommen, der Weg führte uns noch über einen kleinen Hügel bevor wir die Beingras Farm erreichten. Diese Stelle war ein ziemliches Nadelöhr – neben den mittlerweile bekannten Gesichtern sahen wir auch viele Wanderer, die mit dem Zelt unterwegs waren und das ganze Gepäck selbst trugen.
Der Campingplatz und die Farm hatten eine sehr nette Atmosphäre, die Schafe von der Farm spazierten gemütlich zwischen den von Mücken geplagten Campern umher.
Wir genossen den langen, hellen Abend und stiessen wie schon gewohnt mit einem schottischen Bier im lokalen Pub an.
Bei der Variante, die wir gewählt hatten, war ein kurzer Taxitransfer inbegriffen, da wir die Tour sonst nicht in den sechs Wanderetappen geschafft hätten. Während wir am Morgen auf das Taxi warteten, konnten wir dabei zusehen, wie der Farmer die wild verstreuten Schafe mit einem Schäferhund in wenigen Minuten wieder zusammengetrieben hatte. Danach stand auch schon das Taxi auf der Farm und brachte uns zur ca. 20 Meilen entfernten Bridge of Orchy.
Von hier aus ging es auf einen Hügel hinauf, von dem aus wir einen tollen Ausblick auf die umliegenden Lochs hatten. Danach liefen wir auf einer alten Militärstrasse auf der wir wieder sehr gut vorankamen. Da etwas Regen aufzog, entschieden wir uns die Mittagsrast in ein kleines Wäldchen zu verlegen. Dort wurden wir allerdings ziemlich schnell von den schottischen Mücken gefunden, weshalb wir einen sehr kurzen Mittagsstop machten. Danach ging es weiter Richtung Glencoe Mountain, einem kleinen Skigebiet in den Highlands. Uns boten sich schöne Blicke auf die Hügel der Highlands und kurz darauf erreichten wir bei leichtem Regen unser heutiges Etappenziel, das Kings House Hotel.
Auch hier war bei den Wanderern wieder Multi-Kulti angesagt. Wanderer aus der ganzen Welt machten hier Halt und tauschten Anekdoten aus.
Heute stand die Wanderung über den «Devils Staircase» auf dem Programm. Wir wanderten an einem der charakteristischsten Bergmassive Schottlands vorbei, dem Buachaille Etive Mòr.
Über Serpentinen ging es hoch zu einem kleinen Sattel, der seinen Namen von schottischen Soldaten bekam und den höchsten Punkt des West Highland Ways markiert. Da wir noch nicht genug hatten, entschlossen wir uns noch einen der umliegenden Gipfel zu besteigen. Es waren nur ca. 150 Höhenmeter, die wir schnell überwunden hatten, dafür hatten wir wieder tolle Ausblicke auf die umliegenden Highlands. Wir konnten sogar schon einen ersten Blick auf den Ben Nevis – den höchsten Berg Grossbritanniens werfen.
Nach dem Abstieg machten wir Rast und kochten uns eine Tasse Kaffee. Dafür wurden wir von passierenden Wanderern mit ziemlich neidischen Blicken gestraft.
Mit dieser Stärkung vergingen die restlichen Kilometer wie im Flug. Die Landschaft war traumhaft und wir genossen den leichten Abstieg hinunter ins Tal nach Kinlochleven. Dies war die schönste Etappe bislang.
Auch in Kinlochleven bezogen wir ein sehr schönes B&B, in dem wir toll bewirtet wurden.
Heute mussten wir die längste Etappe überstehen. Da wir nach den letzten längeren Touren schon etwas angeschlagen waren, hatten wir etwas Respekt vor diesem Stück.
Zuerst mussten wir einen ziemlich steilen Anstieg überwinden, der uns in eine Hochebene führte. Hier wanderten wir wieder ziemlich idyllisch auf einer alten Militärstrasse und kamen recht gut voran.Auf dem Weg passierten wir einige Ruinen, bei denen wir dann ein erstes Mal pausierten. Dabei entdeckten wir an einem Hang des Tales eine Gruppe Schäfer mit ihren Hunden, die ihre Herde zusammentrieben.
Wir gingen wieder los und plötzlich trieben die Schäfer ihre Herde hinter uns auf die Strasse. Die nächsten Meilen wurden wir verfolgt von ca. 60 Schafen, ein paar Hirtenhunden und einem wild brüllenden Schäfer, der wahrscheinlich nicht besonders Freude an uns hatte, den jedes Mal wenn wir stehen blieben, stoppte die Schafherde hinter uns und die Schafe begannen wieder, sich in alle Richtungen zu verstreuen.
Wir legten das nächste Stück daher etwas schneller zurück, bis wir die Koppel passierten, die die Schäfer ansteuerten. Danach konnten wir es wieder etwas gemütlicher angehen und hatten noch Gelegenheit mit einem der Parkranger zu sprechen, die für den Unterhalt des West Highland Ways zuständig sind.
Nach einer weiteren Rast waren wir bereit für das letzte Stück. Wir wanderten durch einen idyllischen Wald vorbei an Wiesen mit unzähligen Kleeblättern, bevor sich die Landschaft ein weiteres Mal wandelte und uns zu den Ruinen eines kleinen Forts direkt über dem Glen Nevis brachte. Der Ben Nevis war direkt vor uns und der Gipfel war für einmal nicht von dicken Wolken umgeben.
Danach machten wir uns auf den Weg nach Fort William. Die letzten Meilen waren ziemlich hart, doch als wir den Zielpunkt erreichten, waren die Strapazen des heutigen Tages schon wieder vergessen und wir konnten in einem der vielen Pubs in Fort William auf die gelungene Wanderung anstossen.
Eine strenge, aber sehr schöne Wanderung. Der West Highland Way ist einer der meistbegangenen Fernwanderwege Europas und ist entsprechend stark frequentiert. Man trifft den Tag durch zwar immer wieder Wanderer und sieht in den Etappenorten immer wieder die gleichen Gesichter, tagsüber kriegt man von diesem starken Betrieb aber relativ wenig mit, da jeder im eigenen Tempo wandert. Die vielen Mitwanderer, die gute Ausschilderung und der toll präparierte Weg machen diese Wanderung für eine ideale Einstiegstour für Weitwanderer. Allerdings sollte man die Anforderungen des West Highland Ways nicht unterschätzen: Manche Etappen fordern durch weite Entfernungen und beständiges Auf- und Ab eine gute Kondition und auch etwas Erfahrung bei längeren Wanderungen. Trittsicherheit ist allerdings nur am Loch Lomond erforderlich.
Die Etappenorte liegen teils sehr verlassen in den Highlands und sind mit dem Auto teils schwer erreichbar. Das Angebot vor Ort ist etwas eingeschränkt, allerdings sind die Unterkünfte gut auf Wanderer eingerichtet und bieten alles was benötigt wird.
Wer wirkliche Einsamkeit sucht, für den sind die schottischen Highlands im Sommer vielleicht nicht die richtige Destination. Der West Highland Way ist aber eine sehr abwechslungsreiche Wanderung durch eine tolle Landschaft, die auf keiner Liste von Wanderfreunden fehlen darf!
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