Sprache: Deutsch, Englisch, Französisch
Abwesend: Mittwoch
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Pilgerweg Cuber Stausee
Hoch über den malerischen Steilküsten und den idyllischen Frühlingswiesen Mallorcas ragt im Nordwesten der Insel die Tramuntana in den Himmel. Schroff und unnahbar aus der Ferne, offenbart dieser Gebirgszug dem Wanderer aus der Nähe eine ganz eigene Schönheit. Auf der Königsetappe der Trans Tramuntana ist man, nicht nur im Kloster Lluc, dem Himmel ganz nah.
Mit dem Zuschnappen des Holzgatters beim Parkplatz am Cuber Stausee bleibt auf einer weiteren Tagestour der Trans Tramuntana die Zivilisation hinter uns. Die ersten Schritte dieser gut fünfstündigen Wanderung in der abgeschiedenen Hochgebirgslandschaft sind gemütlich, ein Warmlaufen so zusagen. Flach folgt ein Arbeitsweg dem Wasserkanal durchs dichte Grün, der Blick pendelt zwischen dem «Puig Major», dem höchsten Berg Mallorcas, und «Gorg Blau», einem kaltblauen Stausee an seinem Fuss, in dem sich der Puig gerne spiegelt. Atemberaubend, dieser Einstieg in die Wanderung über die Berge zum Kloster Lluc. Doch bald drehen wir den beiden touristischen Höhepunkten den Rücken und wenden uns den Bergen zu.
Ein Karrenweg führt steil ansteigend durch einen dichten Steineichenwald in Richtung Pass «Coll des Coloms». Wo vorher die Sonnenstrahlen leicht auf dem Blau des gleichnamigen Stausees tanzten, sozusagen auf der gespiegelten Nase des «Puig Major», dringen sie jetzt nur mit Mühe durchs dichte Blattwerk bis auf den ewig feuchten, steinigen Pfad. Still ist es hier, keine Menschenseele, nur ab und zu undefinierbare Laute von Tieren. Uns würde es nicht wundern, wenn aus dem untersetzt knorrigen Unterholz ein Wildschwein angaloppiert käme, hinterher Meister Obelix - so mystisch erscheint uns die Szenerie. Vorbei an alten Köhlerplätzen, riesigen Felsbrocken und markanten Weggabelungen führt der Pfad, am richtigen Ort weist uns stets ein kleines Steinmännchen den richtigen Weg. Die Route gehört zum alten Pilgerweg, der von Soller zum Kloster «Lluc» verläuft, unserem Tagesziel.
Nach zwei Stunden Anstieg lichtet sich der Wald, über uns ein postkartenblauer Himmel, in den links die «Serra des Teixos» wächst und rechts steil die Nordwand der Massanella aufragt. Der Pfad zieht sich zielstrebig durch das reizvolle Hochtal mit alpinen Wiesen dem Passübergang Coll des Prat zu. Es geht gegen Mittag, ein flacher Felsbrocken am Wegesrand lädt zum Verschnaufen beim gemütlichen Picknick in der Sonne. Mit mallorquinischem Käse, Rohschinken und luftgetrockneter Salami aus dem Rucksack ist der Blick zurück über die Hügelketten und die angedeuteten tiefen Schluchten ein Traum. Trotzdem hält es uns hier nicht lange. Der Sattel ist noch nicht erreicht, es zieht uns weiter bergan. Da ist dieser Sog, der jene plagt, die gerne lange unterwegs sind: das Geheimnis hinter dem nächsten und übernächsten Hügelzug zu lüften. Ein Trupp hirtenloser Schafe gleitet wie der Schatten einer Wolke flimmernd über die grüne Bergflanke, ziellos und in unverständlicher Eile. In stoischer Ruhe zieht hoch am Himmel ein König der Lüfte seine Schlaufen.
Schritt für Schritt nähern wir uns dem «Coll des Prat», dem höchsten Passübergang Mallorcas (1205m). Auf dem Rücken des Sattels, die Berge zu beiden Seiten gleichermassen verbindend, läuft eine wunderschöne Steinmauer. Vom Gipfel der Massanella her fällt sie steil zu uns ab wie eine Skisprungschanze in den Alpen, Richtung «Serra des Teixos» hinauf läuft sie sanft aus. Nur durch eine kleine Maueröffnung wird sie unterbrochen. Hier führt unser Weg auf die andere Seite des Passes. Doch nichts ist mit dem erwarteten Ausblick auf die Halbinsel Alcudia. Wir treten durch die Maueröffnung wie in ein geschlossenes Zimmer: Dicke Nebelschwaden ziehen sich im Eiltempo aus dem Tal hinauf und kommen just in diesem Moment bei der Steinmauer an als sei sie eine Wetterscheide.
Wir wandern ins weisse Nichts hinein, das den stahlblauen Himmel, die Bergspitzen und alle Geräusche im Nu verschluckt. Die Orientierung auf dem Abstieg zum «Coll des Telègraf» ist trotzdem nicht schwierig. Gutes Kartenmaterial, eine perfekte Routenbeschreibung und am entscheidenden Punkt ein Steinmännchen machen Verirren unmöglich. Trotzdem ist jetzt eine nächste Stärkung aus dem Rucksack fällig, irgendwie riecht die Königsetappe der «Tramuntana» nun doch noch nach Abenteuer. Und Berghütten oder Gipfelrestaurants wie in der Schweiz gibt es hier keine.
Bald folgt eine Gegensteigung, die unweit des «Puig d’en Galileu» ihren höchsten Punkt erreicht. Jetzt reisst der Nebel auf, ein weites Tal öffnet sich zu unseren Füssen, dahinter Bergketten, in der Ferne das Meer. Und weit unter uns, sozusagen mit dem Senkblei auszuloten, blitzen aus dem dichten Grün des Waldes die Dächer des Klosters «Lluc». Wären wir Schwalben, würden wir jetzt zum ultimativen Schwebeflug gen Tal ansetzen, zu einem unvergesslichen Segelflug im goldenen Licht des späten Nachmittags. Aber wir sind Wanderer, und zum Glück auf vorbildlich restaurierten, gepflasterten Pilgerwegen unterwegs. Unsere Muskeln sind nicht von Pappe - mit dem Bergläufer, der plötzlich aus dem Nichts über eine Bergkante aus dem Tal heraufkeucht, könnten wir es vielleicht sogar noch aufnehmen; aber wir müssen gestehen, der lange Abstieg auf Serpentinen zum Kloster, haut uns richtig in die Beine. Anderthalb Stunden steiler Abstieg fordern unsere Oberschenkelmuskeln bis zum Letzten. Als uns, zurück aus der Hochgebirgslandschaft, der Steineichenwald kurz vor dem Ziel wieder verschluckt, erlauben wir uns im Schutz der Bäume einen unkontrollierteren Gang, zu dem auch mal ein Stolpern gehört. Die vielen Pilger, die diesen Weg alters her benutzten und ab und zu heute noch nutzen, waren bestimmt nicht eleganter unterwegs; zumal sie wohl weniger im Hier und Jetzt wanderten als wir, die wir jeden Strauch, jede Bergblume und jedes Tier in vollen Zügen geniessen.
Im Trans Tramuntana Gebirge auf Mallorca.
Das Kloster «Lluc», im Mittelalter erbaut, ist das religiöse und intellektuelle Zentrum Mallorcas und zugleich der bedeutendste Wallfahrtsort der Insel. Die Verehrung der Schwarzen Madonna, der «moreneta» geht auf das 13. Jahrhundert zurück. Heute pilgern hier viel weniger Gläubige als Wanderer hin. Aber auch wir Wanderer sind entzückt, wenn am Ende dieser Königsetappe das hölzerne Tor hinter uns zuschnappt und wir über den Parkplatz hinweg auf das Kloster zugehen, das wunderschön und andächtig an der bewaldeten Bergflanke in der Abendsonne liegt.
Die Touristengrüppchen verlieren sich in der Weite der Klosteranlage, verschwinden unter den Bogengängen und in den zu besichtigenden Räumlichkeiten. So bleibt der Eindruck von Stille, Einkehr und Erhabenheit. Und wenn am Abend die Tagestouristen in ihren Autos und Bussen zurück gefahren sind in die pulsierenden Küstenorte, dann kehrt wirkliche Stille ein, ein wohltuender Klosterfrieden, umhüllt von samtschwarzer Nacht. Man verliert im grossen Refektorium das Gefühl für die Zeit, wenn man am hölzernen Esstisch die müden Wanderbeine von sich streckt. Hier am offenen Kaminfeuer lässt es sich herrlich speisen. Mallorquinisch natürlich. Und in einer der restaurierten Klosterzellen wunderbar schlafen. Himmlisch natürlich.
Das Kloster Lluc.
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