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Der smaragdgrünen Soca entlang
Es ist kalt und grau, als wir mit unserem Auto auf dem Parkplatz vor dem Hotel in Kranjska Gora vorfahren. Der bekannte slowenische Wintersportort sprüht aber auch im tristen Nebel einen angenehmen Charme aus. Vor dem Parkplatz türmen sich hohe Berge auf. Wir können ihre Gipfel nur erahnen, doch spüren wir schon jetzt, dass die Julischen Alpen eine mystische Ruhe abgeben. Wir schlendern durch den Touristenort mit seinen Boutiquen, Souvenir-Läden und einladenden Restaurants. Morgen gehts los in die Berge. In die wilde Natur Sloweniens!
Es ist noch früh, als wir im Speisesaal eintreffen. Am Nebentisch begrüssen wir unsere deutschen Wandergenossen, die wir am Abend zuvor beim Willkommensgespräch mit Roman kennenlernten. Sie nehmen den Transfer zur «Russischen Kapelle» in Anspruch, erzählen Sie uns. Wir entscheiden, den ganzen Weg vom Hotel auf den Vrisic-Pass zu laufen. Wir wollen heute die volle Dosis Julische Alpen erleben.
So wandern wir beim Hotel los und kommen gut voran. Der Weg verläuft erst flach einem Bachlauf entlang. Kurz nach dem Wanderstart erreichen wir bereits den Jasna-See. Das Wasser ist glasklar. Eine junge Frau macht Yoga auf einem Steg.
Der kristallklare Jasna-See ganz zu Beginn der Wanderetappe.
Es ist noch zu früh für eine Pause. Schnell gehen wir weiter und erreichen nach etwa 2 Stunden die «Russische Kapelle». Die Kapelle wurde zu Ehren beim Bau der Vrisic-Passstrasse gefallener Russen errichtet und ist für uns der ideale Punkt für die erste Rast des Tages.
Von nun an geht es steil bergauf. Fast 1000 Höhenmeter müssen wir noch erklimmen. Der Vrisic-Pass ist noch in weiter Ferne. Langsam ziehen die dichten Wolkenfelder ab und geben den Blick auf schroffe Gipfel und steile Felswände frei. Die Sonne kitzelt durch die Wolkendecke und versetzt die Szenerie in ein fantastisches Licht.
Nach 2 Stunden erreichen wir die Passhöhe des Vrsic-Passes auf 1618 M. ü. M.
Ein herrlicher Blick zurück ins Tal und in die slowenische Bergwelt (Wir befinden uns im höchsten Gebirgsteil der Julischen Alpen) und vorwärts unserem nächsten Ziel entgegen. Dem Soca-Tal und ihrer smaragdgrünen Perle.
Auf dem Vrisic-Pass.
Der Abstieg hinunter nach Trenta zieht sich. Durch dichten Nadelwald schlängelt sich der Weg zum Talboden. Hier sehen wir zum ersten Mal die junge Soca, die unweit im Gebirge entspringt. Der Fluss wird uns noch lange begleiten.
Nach weiteren 3 Stunden erreichen wir Trenta. Ein kleiner verschlafener Ort zuhinterst im Soca-Tal. Es gibt eine Pizzeria und einige Gasthäuser. Allerdings nicht für uns. Die Gasthäuser werden nur für längere Aufenthalte vermietet. Schade, uns hätte es hier gefallen. Doch so holt uns Roman in Trenta ab und fährt uns ins 30 km entfernte Bovec.
Abstieg hinunter nach Trenta.
Um 8 Uhr früh fährt uns Roman zurück nach Trenta. Die Freude ist gross. Im Reiseführer wird die heutige Etappe als eine der schönsten des gesamten Alpe Adria Trails beworben. Wettertechnisch steht uns heute jedenfalls gar nichts vor der Sonne.
In Trenta folgen wir dem Weg entlang der Soca und überqueren den kleinen Bach zum ersten Mal. In einem angenehmen auf und ab folgen wir dem Fluss einige Kilometer. Immer wieder bleiben wir stehen und schauen stauend in das kristallklare Wasser. Die Farbe des Wildbaches zieht uns magisch an. Dieses grün-türkis-blaue Wasser schimmert im Sonnenlicht. Ihren karibischen Touch erhält die Soca durch die Gesteinsform, die Sie aus dem Gebirge mitnimmt. Karst.
Der Tag ist perfekt und das Wetter mit 25 Grad ideal zum Wandern. Die Sonne ist kräftig, doch die Soca (ca. 9 Grad) lässt uns nicht schwitzen und kühlt die Luft ab. Immer wieder treffen wir auf Hängebrücken und wechseln das Ufer.
Eine von vielen Hängebrücken die den Fluss Soca überqueren.
Kleine Ortschaften säumen den Weg, doch viel Zivilisation ist auf dieser Etappe nicht vorhanden. Meist wandern wir fast allein und halten immer wieder einmal die Füsse ins Wasser. Wir kommen Bovec langsam näher und machen eine Rast auf einem kleinen Camping direkt am Fluss. Kurz nach dem Camping folgen zwei weitere Highlights des Tages. Die kleine und grosse Soca Schluchten.
Eindrücklich, wie sich das Wasser nun durch die enge Schlucht peitscht. Es zischt und donnert. Es ist richtig laut und wild. Die Felsformationen sind geschliffen vom Wasserdruck tausender Jahre. Es ist eine kurzzeitige neue Welt, in die wir eintauchen. Der kleine Bach ist nicht mehr wiederzuerkennen. Und plötzlich: Ende der Schlucht. Alles wieder ruhig.
Dieses natürliche Schlussfeuerwerk kommt kurz vor unserem Etappenziel Bovec. Wir machen es uns am Abend auf der sonnigen Terrasse bequem und geniessen ein kühles Bier.
Die kleine Soca-Schlucht.
Bovec ist ein heimeliger kleiner Ort mitten in den slowenischen Alpen. Hier kann aber auch ganz schön was los sein. Der Ort gilt nämlich als Mekka für den Rafting-Sport. Viele Gruppen starten hier ihre Abenteuer im Schlauchboot oder Kajak und donnern die wilde Soca hinunter.
Heute kommen wir zu Beginn der Wanderung an einem Platz vorbei, so magisch und wundervoll, mit dem wir nicht gerechnet hätten. Der Pfad schlängelt sich erst etwas den Berg hinauf bis zu einem Abzweiger. Hier wird mit einem schönen Wasserfall geworben, den es mit einem kleinen Umweg zu besichtigen gilt. An der Gabelung überlegen wir noch, ob wir uns den Abstieg und späteren Aufstieg wirklich antun sollen. Die Etappe ist mit 25 km ja wirklich schon lang genug!
Zum Glück entscheiden wir uns dafür. Denn das ist einer der schönsten Wasserfälle, den wir je gesehen haben. Er sieht aus, als ob er von einem pompösen Künstler für ein Schloss aus der Renaissance entworfen worden wäre. In verschiedenen Seitenarmen tröpfelt und fliesst das Wasser in einen glasklaren Pool. Obwohl von der Schönheit angetan, müssen wir weiter. Es ist noch viel von den 25 km des heutigen Tages übrig. Und Gewitter scheinen im Anmarsch zu sein. Weit hinten am Horizont über den Bergen türmen sich hohe Wolkengebilde auf.
Wunderschöner Wasserfall in Slowenien.
Zurück an der Soca machen wir Rast. Immer wieder kommt uns ein Rafting-Boot mit jauchzenden Touristen entgegen. Ob wir nach der Wanderung nochmals hierher zurückkommen und selbst die Soca hinunterdonnern? Es ist eine Überlegung wert. Die Landschaft hier um Bovec ist einmalig. Sie diente gar der Fantasy-Filmreihe «Narnia» als Kulisse.
Das Gewitter ist nun voll über uns und wir haben noch etwa die Hälfte des Weges zu absolvieren. Kilometerweit geht es der breiter werdenden Soca entlang Richtung Osten. Da fällt auch schon der erste Regentropfen auf unsere Köpfe.
Eine Gruppe Rafter machen sich startbereit.
Der Regen ist warm und stört nicht gross. In unsere Regenjacken eingepackt nehmen wir das letzte Drittel des Tages in Angriff. Wir verlassen die Soca bei Trnovo und steigen auf einem angenehmen Pfad hinauf ins Bergdorf Dreznica. Auch diese Etappe ist lang und macht die Beine müde. Doch irgendwann kommt ein riesiger weisser Turm in unser Blickfeld und schon bald erreichen wir das Dorf Dreznica mit seiner prachtvollen, überdimensionierten Kathedrale.
Da uns der Regen bis zum Schluss nicht in Ruhe gelassen hat, sind wir froh, uns in der gemütlichen Gaststube der einzigen Unterkunft im Ort aufzuwärmen, etwas zu trinken und unser Zimmer zu beziehen. Es wird ein gemütlicher Abend samt geschmackvollem Abendessen.
Bergdorf Dreznica.
Auch der nächste Morgen startet nass und kühl. Wir packen uns warm ein, geniessen ein tolles Frühstück und starten die Wanderung. Heute erwarten uns die Höhenmeter zu Beginn der Wanderung. Der Muskelkater hat sich langsam eingeschlichen und so brauchen wir etwas Anlaufzeit.
Im strömenden Regen kämpfen wir uns die rund 600 Höhenmeter bis zur kleinen italienischen Kapelle «Bes na Planici» hoch. Kurz vor der Kapelle wird der Weg immer steiler und wir sind froh, dass wir kurz im Trockenen rasten können. Die Kapelle ist den gefallenen italienischen Gebirgssoldaten gewidmet und wurde noch während des Krieges in der Nähe der 1. Frontlinie errichtet. Viele weitere Gedenkstätten dieser blutigen Front werden auf den letzten Wanderkilometern folgen. Sie sind Zeugen der blutigen Isonzo-(Soca) Schlachten von 1915 – 1918, die zwischen dem Königreich Italien und der Mittelmächte von Österreich-Ungarn ausgetragen wurden.
Die Kapelle «Bes na Planici».
Nach weiteren Kilometern im strömenden Regen verlassen wir ein bewaldetes Gebiet. Langsam gibt der Himmel die umliegende Bergwelt frei. Es wird heller und auch die Temperaturen steigen. Die Sonne kann nicht mehr weit sein. Tatsächlich können wir am Nachmittag bald unsere Regenausrüstung durch T-Shirt und kurze Hosen tauschen und wandern die letzten Kilometer der Soca entlang Richtung Tolmin. In einem kleinen Waldstück treffen wir auf duzende Feuersalamander. Die auffälligen, gelb gefleckten Tiere bewegen sich umständlich im feuchten Laub.
Langsam schlängelt sich der Pfad wieder hinunter ins Soca-Tal. Grüne Weiden säumen den Weg und Gruppen von Eseln und Ochsen begrüssen uns. Auch die heutige Etappe zieht sich. Über 20 km wandern wir in abwechslungsreicher Natur. Kurz vor Tolmin stärken wir uns einmal mehr in einem wundervoll angelegten Campingplatz, bevor wir das erste Mal auf dieser Reise in einer grösseren Stadt ankommen.
Endlich zeigt sich auch der blaue Himmel.
Unser letzter Wandertag begrüsst uns mit prächtigem Wetter. Bereits am Morgen ist es heiss. Wir geniessen ein tolles Frühstück auf der Hotelterrasse und machen uns bereit zum Abmarsch. Tolmin ist ein hübsches Städtchen, das wir am Morgen noch etwas erkunden. Unser Hotel Dvorec ist ein schönes Altbauhaus mit frisch renovierten Zimmern.
Nach der Stärkung machen wir uns auf den Weg. Wir überqueren die mittlerweile zu einem breiten Fluss gewachsene Soca über eine Brücke und verabschieden uns von ihr. Wir werden Sie auf dieser Reise nur noch von weit oben zu Gesicht bekommen.
Der erste Teil der Wanderung ist kein Highlight. Dies wird in den Reiseunterlagen auch klar beschrieben. Etwa 2 h lang wandern wir mangels Alternativen auf einer Asphaltstrasse ins benachbarte Volce und weiter in den Kamnica Graben. Nach einigen Höhenmetern auf Asphalt und bei grosser Hitze biegt ein schön angelegter Wanderpfad von der Strasse ab. Auf diesem bewältigen wir die restlichen gut 600 Höhenmeter. Wir werden für die Mühen belohnt und erreichen eine Passhöhe bei den alten Verteidigungsstellungen Klabuk mit fantastischem Weitblick. Die Bunkeranlage ist gut erhalten und zeugt vom blutigen Konflikt, der hier geführt wurde. Mit Ehrfurcht erkunden wir die grosse Anlage und machen Fotos, bevor wir weiter aufsteigen, um den Monte Poclabuz, den höchsten Punkt des Tages zu erreichen.
Bunkeranlage Klabuk aus dem 1. Weltkrieg.
Der Ausblick hier oben ist fantastisch. Im Norden sehen wir die Julischen Alpen und den Flusslauf der Soca. Auch unsere Etappenorte Tolmin und die grosse Kathedrale von Dreznica können wir erkennen. Im Süden reicht der Blick sogar bis an die Adria. Es ist der ideale Schlusspunkt für diese Reise, die sich zu Recht «Alpe Adria Trail» nennt. Auch wenn wir nicht bis ans Meer wandern, können wir dieses von hier aus schon erahnen.
Der Abstieg zum Refugio Solare ist dann nur noch eine Sache von wenigen Minuten. Kurz vor dem Refugio überqueren wir die Landesgrenze zwischen Slowenien und Italien. Heute sind nicht einmal mehr Grenzpolizisten vor Ort. Wie wunderbar. Im Refugio geniessen wir eine leckere Pasta, bevor Roman vorfährt und uns abholt. Er wird uns den weiten Weg zurück nach Kranjska Gora fahren und mit vielen eindrücklichen Informationen versorgen. Zurück in Slowenien übernachten wir zum letzten Mal und geniessen das Flair des mondänen kleinen Bergortes. Es endet eine Reise, die wir nicht vergessen werden. Schnell ist klar, dass wir unsere restlichen Ferientage nutzten, um das kleine Alpenland Slowenien noch weiter mit dem Camper zu erkunden.
Wunderbarer Weitblick vom Monte Poclabuz.
Der Alpe Adria Trail ist ein multinationaler Fernwanderweg, der am Grossglockner in Österreich startet und bis nach Italien ans Ufer der Adria führt. Auf dem Abschnitt Alpe Adria Trail Slowenien durchquert man das ganze Land entlang des Grenzflusses Soca (ital. Isonzo).
Die Landschaft ist ungemein abwechslungsreich. Die Natur sehr unberührt und wild. Zivilisation ist vorhanden, allerdings in deutlich kleinerem Ausmass, als wir uns das aus der Schweiz gewohnt sind. Die Etappen sind sehr lang. Fast täglich wandert man einen Halbmarathon. Wenn man sich darauf einstellt, den ganzen Tag draussen unterwegs zu sein, überhaupt kein Problem. Unter dem Strich war diese Reise – obwohl sich die Schweiz und Slowenien landschaftlich sicher ähneln - durch die kulturellen Unterschiede eine völlig neue Erfahrung.
Alle Unterkünfte waren auf unserer Reise gut gewählt, sauber und gut ausgestattet. Wir können die Reise uneingeschränkt weiterempfehlen.
Weitere Informationen finden Sie auf der offiziellen Website des Alpe-Adria-Trails.
Hängebrücke über dem Fluss Soca.